Am 7. Oktober 2022 besuchte uns der Historiker Dr. Stefan Hördler von der Universität Göttingen. Herr Hördler wirkte bereits an mehreren Büchern sowie einer TV-Dokumentation mit und war als historischer Gutachter bzw. Sachverständiger maßgeblich an Prozessen gegen frühere SS-Wachmänner und Sekretärinnen beteiligt. Der Fokus seines Vortrags lag nicht wie erwartet allein auf den schrecklichen Geschehnissen im Konzentrationslager Auschwitz-
Birkenau, sondern auf der Bedeutung von dort entstandenen Bildern.
Vor 77 Jahren befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz. Tausende Juden wurden bis dahin in diesem und vielen weiteren Konzentrationslagern ausgebeutet und getötet. Seither gilt das KZ Auschwitz-Birkenau als Synonym des Holocaust. Der genaue Ablauf von Ankunft, über Selektion, das Haareschneiden bis zur Vergasung hielt ein SS-Fotograf mithilfe seiner Kamera fest und erstellte ein Bilderalbum für seine Vorgesetzten. Sogar die Vernichtungsanlagen sowie hoch aufgetürmte Kleider- und Schuhberge der Gefangenen wurden von ihm fotografiert.
Zusammen mit zwei weiteren Historikern erarbeitete Herr Hördler das Buch “Die fotografische Inszenierung des Verbrechens – Ein Album aus Auschwitz” in dem sie ihre Forschungsergebnisse zur Herkunft der abgebildeten Menschen und den Kontext der Aufnahmen vorstellen. Diese waren Hauptbestandteil seines Vortrages.
Er schilderte mögliche Schicksale – von Zwangsarbeit bis zur direkten Vergasung, die die Menschen nach ihrem Eintreffen ereilen konnten. Wir erhielten kurze Biografien über einige abgebildeten Gefangene und die Täter. Besonders beeindruckend dabei war, dass er jeden Namen, jedes Datum und Ereignis, ohne auf schriftliche Notizen angewiesen zu sein, schildern konnte.
Mit seiner ruhigen und präzisen Art zog uns Dr. Stefan Hördler in seinen Bann und brachte uns die Bedeutung von Fotos als historische Quellen näher. Er ging dabei auch auf die Möglichkeiten der Missinterpretation ein. So erläuterte er, dass die Bilder in dem Fotoalbum nicht chronologisch angeordnet waren, auch wenn es so dargestellt wurde, sondern von verschiedenen Tagen stammten. Außerdem erklärte er, dass auch Bildunterschriften in Geschichtsbüchern nicht immer der Wahrheit entsprechen müssen und man auf einem zweiten Blick und Gedanken erkennen kann, dass ein Bild nicht heimlich oder flüchtig aufgenommen wurde. Seine Expertise und vor allem Engagement auf diesem Themengebiet war zu jedem Zeitpunkt spürbar.
Nach fesselnden 90 Minuten fand eine abschließende Fragerunde statt. Herr Hördler gab ausführliche Antworten auf zahlreiche Nachfragen von Schüler*Innen. Er erläuterte beispielsweise, weshalb Prozesse gegen frühere KZ-Mitarbeiter viele Jahre andauern oder ob wirklich notwendig ist, heutzutage noch Urteile zu fällen.
Beendet wurde die Veranstaltung mit den Worten: Man solle die Geschichte nicht nur an routinierten Festtagen ehren, sondern die Erinnerung viel mehr mit Inhalten füllen. Genau deshalb würden wir uns sehr freuen, wenn auch zukünftige Jahrgänge, denen definitiv keine Zeitzeugen mehr für Fragen zur Verfügung stehen, an solch einem Vortrag teilnehmen
können.
Im Namen der gesamten Oberstufe möchten wir einen Dank an Herrn Dr. Hördler für seine Zeit richten!
Claudia Schmidt, Pauline Meier und Annemarie Srock; 12. Klasse